02.10.2017
Hin und wieder werde ich gefragt: Was hat mich eigentlich nach Budapest geführt? Um das zu beantworten, muss ich die Zeit um ein Jahr zurückspulen.
Das Ganze fing noch viel früher mit einem Haufen Bücher über den Sinn und Unsinn des Lebens an. Genau so ein Buch hatte mein Schwager dabei, als wir letztes Jahr zusammen in den Sommerferien waren. Es geht darin darum, in sein Leben mehr Sinn zu bringen, Veränderungen anzustoßen, die das Leben lebenswerter machen. Bei meinem Segelkurs in der Flaute hatte ich genügend Zeit darüber zu grübeln und am Ende stand für mich fest, dass ich innerhalb der nächsten Jahre mal etwas ganz anderes erleben möchte. Raus aus dem Trott, eingeschliffene Gewohnheiten durch neue ersetzen, das Leben mehr – wenn möglich in vollen Zügen zu genießen. Meine Kinder sind schon ziemlich groß und auch sonst habe ich nicht viele Verpflichtungen, die mich fest an zu Hause binden. Ich dachte über ein Sabbatjahr nach, über eine Weltreise, über Arbeit in einer sozialen Einrichtung und fragte mich, was ich denn nun wirklich ändern könne.
Natürlich hatte ich auch einige Diskussionen mit Olav darüber, denn er hatte eigentlich nicht das Bedürfnis und auch nicht die Möglichkeit, für ein halbes oder ganzes Jahr woanders hinzugehen.
Fast zur gleichen Zeit im Herbst gab es in meinem Projekt eine Entwicklung, die dazu führte, dass ich nicht mehr mit meinen anderen NewTec-Kollegen gemeinsam in Projekten unterwegs war. Statt dessen wurde ich fest dem Projekt zugeteilt, für das ich sowieso schon ein halbes Jahr arbeitete. Das kam mir sehr entgegen, da mir die Arbeit mit meinem Projektleiter in Budapest sehr viel Spaß macht. Ich fing wieder an, meinen kleinen Ungarischführer zu wälzen und entschloss mich schließlich sogar dazu, ungarisch richtig zu lernen.
Also hatte ich im Endeffekt zwei Optionen: das Sabbatjahr, in dem ich etwas völlig anderes machen könnte. Oder im Arbeitskontext zu bleiben aber dafür den Ort wechseln.
Das Sabbatjahr hatte den Nachteil, dass ich erst mal drei Jahre dafür hätte arbeiten müssen, um das freie Jahr anzusparen. Das erschien mir doch sehr lang, da ich ja jetzt was ändern wollte. Im Frühjahr reifte der zweite Plan heran. Mein Projekt machte mir Spaß, ich verstand mich mit meinem Projektleiter immer noch gut und ich wollte gerne darin weiter arbeiten. Jetzt oder nie, dachte ich mir also, denn wer weiß schon, was in drei Jahren bei mir auf der Agenda steht.
Also fragte ich bei meinen Vorgesetzten an und als die ihr Go gaben, fragten wir bei TKP an, ob es möglich wäre, dass ich für ein halbes Jahr dort hinkomme. Und es war möglich.
Der einzige wirklich Hemmnis war meine Familie. Konnte ich sie für ein halbes Jahr alleine lassen? Aber als ich Jens von meinen Ideen erzählte, war er hellauf begeistert. Ja, dass müsse ich machen, sagte er. So eine Möglichkeit dürfe ich nicht ungenutzt vorbeigehen lassen. Seine Begeisterung war schließlich der letzte Kick in diese Richtung. Und bisher habe ich es noch keine Sekunde bereut. Ja – ich habe manchmal Heimweh … aber viel weniger als ich befürchtet hatte. Was für mich viel schlimmer ist, sind meine impliziten Erwartungen, die ich entwickelt habe, als ich mir in den letzten drei Monaten vorgestellt habe, wie es wohl in Budapest sein würde. Denn wie kann es auch anders sein, es kommt alles anders, als man denkt.
Wenn ich dann vor einer Hürde stehe oder vor einer Situation, die mir innerlich erst mal zu schaffen macht, dann sage ich mir: Barbara, genau das wolltest du doch, oder etwa nicht? Raus aus deinen alten Bahnen und rein ins Leben. Also atme ich ein paar mal tief durch – und weiter gehts.