Der Zauber der Welt

03.01.2022

Die Welt ist voller Zauber. Voll der Zauber, die wir in sie hinein bringen.
Der Zauber beginnt mit unserem Handeln.
Mit dem Spaziergang in den Wald, mit dem Anzünden einer Kerze an einem grauen Wintermorgen, mit dem Ertasten einer Struktur in der Natur.
Der Zauber entfaltet sich durch unsere Sinne. Wenn wir den Duft des Harzes in uns strömen lassen, wenn wir die Farben betrachten und das Flackern der Flamme, wenn wir die Zartheit des Sandes in einer Kuhle ertasten oder die Rauheit des Steins.
Der Zauber entsteht in unserem Geist.
Er entsteht, wenn wir mit leisen Schritten unsere Zehen auf den Waldboden setzen.
Wenn die Tropfen des Regens in unserem Haar zu einem Netz aus Perlen werden. Wenn wir uns in eine verwunschene Fee oder einen grimmigen Wolf verwandeln.
Der Zauber entsteht in den Augen des Künstlers, wenn er aus dem was er sieht und dem was er fühlt sein eigenes Bild schafft.
Der Zauber entsteht, wenn der Komponist die Melodien, die in seinem Inneren spielen auf Papier bringt und wenn der Dirigent mit dem Orchester diese Musik hörbar macht.
Der Zauber wirkt, wenn wir uns die Zeit nehmen, die Bilder zu betrachten, wenn wir auf die Melodien lauschen, uns in sie versenken und sie in uns wirken lassen.
Der Zauber der Welt wirkt durch den Zauberer auf den Verzauberten. Und wir können beides sein. In jedem Augenblick.

Die kleinen Dinge

Vor einigen Tagen wollte ich endlich den fehlenden Knopf an meiner Bluse ersetzen. Mein Nähzeug ist in einem kleinen altmodischen Kästlein untergebracht, dass man seitlich aufklappen kann. Allerdings passt die Knopfsammlung da nicht rein. Statt dessen habe ich einen Spielekarton umfunktioniert, in dem ich die Knöpfe in verschiedenen kleinen Döschen sortiert hatte. Da meine Kinder von meinem Nähzeug reichlich Gebrauch machen, fand ich einiges anders vor, als ich es erwartet hatte. Ich wühlte und kramte, bis ich endlich alle Kästchen gefunden hatte und dann wühlte und kramte ich in den beiden Kästchen herum.

Irgendwann hatte ich es dann geschafft, die richtige Nadel, den richtigen Knopf, die Schere und den richtigen Faden zusammen zu suchen. Nebenbei hatte ich noch zwei drei Dinge umsortiert und aus der dritten Kiste mit den Sticksachen ein altes Buch mit hässlichen Stickmustern entsorgt. Nadel und Faden hatte ich auf den Tisch im Flur gelegt. Nach einigem hin- und hergelaufe, hielt ich die Schere in der Hand. Doch wohin hatte ich den Knopf gelegt, der auserwählt war um meine Bluse zu zieren? Ich ging nochmal zurück zur Knopfsammlung. Aber da lag er nicht mehr. Schließlich erinnerte ich mich, dass ich ihn auf meinen Schreibtisch liegen gelassen hatte, als ich noch nebenbei etwas in meinen Chat getippt hatte.

Da stand ich also endlich mit allem Notwendigen, und beim Annähen des Knopfes grübelte ich über die Zeit nach, die ich beim Suchen verloren hatte. Wie kommt es, dass ich mich von so vielen kleinen Dingen ablenken lasse? Ich wollte nur einen Knopf annähen. Statt dessen habe ich sortiert, gechattet und ausgemistet.

Diese Zerstreutheit zieht sich durch mein ganzes Leben. Beim Arbeiten komme ich von Hölzchen auf Stöckchen, werde von einem wichtigen Anruf oder einer wichtigen Nachricht unterbrochen und verliere meinen Arbeitsfaden. Zu Hause möchte ich mich an meinen Computer setzen um zu schreiben, statt dessen versuche ich, meine Webseite neu zu gestalten. Es kommen immer wieder kleine Dinge, die mich vom eigentlichen Ziel ablenken.

Auch heute beim Schreiben dieser Zeilen gab es kleine Dinge, die mich fast vom falschen Weg abgebracht hätten. Zum Glück wusste ich schon worüber ich schreiben will. Also setzte ich gleich meine kleine Lektion aus der Knopfgeschichte um. Statt mich ablenken zu lassen, ließ ich die Computer-Updates links liegen, ignorierte meinen Hunger und blieb bei meinem kleinen Ding: diese Zeilen über die kleinen Dinge zu schreiben.

Der Seidenschal

Ich besitze einen Seidenschal. Das Schöne an Seide ist, dass die Farben so intensiv leuchten. Ich liebe diesen Schal, aber er hat ein Manko. Bei den Fransen an den Enden lösen sich immer die Kettfäden. Ein Faden bleibt am Reissverschluss hängen und zieht sich raus. Er hängt unschön herum und ich muss ihn abschneiden. Die nächsten Fäden werden locker und es ist nur eine Frage der Zeit, dass sich der Stoff weiter auflöst.

Diesem Umstand mache ich nun ein Ende. Ich habe Urlaub und Zeit und meine Tochter ist da, dir mir mit ihren Nähtipps und Ideen weiter hilft.

Das Leid mit dem Einschlagen meines Stoffes

Ich schneide die Fransen vom Ende meines Schals ab und möchte nun den Stoff einschlagen. Da der Stoff sehr glatt ist, verrutscht er immer wieder obwohl ich die umgeschlagenen Stellen mit Stecknadeln fixiere. Schließlich habe ich die Schnauze voll und beschließe, eine Falte in den Stoff zu bügeln. Aber bügel mal eine Falte in einen Seidenstoff in einem Abstand von 0,5cm vom Rand… Karin hat eine gute Idee: „Probier doch mal, die Kante über einen Karton zu bügeln.“ Gesagt, getan. Ich schnappe mir eine große Karteikarte, rücke meinen Stoff gerade, lege die Karteikarte darauf und bügel den Rand des Stoffes über die Papierkante. Funktioniert besser als gedacht.

Über Pappe bügeln

Das Leid mit der Spule für den Unterfaden

Für den blauen Stoff suchen wir einen bronzefarbenden Faden heraus, der perfekt zu der Weberei passt. Natürlich ist dieser Faden noch auf keiner Nähmaschinenspule. Also mühe ich mich ab, den Faden auf die Spule zu bringen. Nur der Start misslingt. Immer wieder rutsch der Faden weg, statt sich aufzuwickeln.

Hält es endlich?

Karin nimmt mir die Spule aus der Hand, knotet den Faden an den anderen Faden, der schon auf die Spule gewickelt ist und schon ist das Problem gelöst.

Zusammen geknotet

Das Leid mit der Fadenspannung

Ich fluche vor mich hin. Wie bekomme ich jetzt dieses leidige Thema „Fadenspannung“ bei meiner Nähmaschine hin. Karin nimmt ein Stück Papier zur Hand und näht ein paar Stiche auf das Papier. „Auf Papier kann man besser sehen, ob die Fadenspannung stimmt.“
Um meine Maschine endlich besser kennen zu lernen, nähe ich einfach mal drei Reihen.
Die Schraube für die Unterfadenspannung drehe ich jeweils um eine 8tel Drehung weiter und die Oberfadenspannung ändere ich während der Nähreihe von 7 bis 4.

Ober- und Unterfaden mit verschiedenen Fadenspannungen

Schlussendlich entscheide ich mich für eine Stellung des Unterfadens, wo ich einigermaßen ordentlich mit Oberfadenspannung 6 arbeiten kann. Eigentlich ist mir 6 noch zu fest, aber wenn ich die Unterfadenspannung noch mehr verringere, dann funktioniert gar nichts mehr.

Jetzt ist mein Schal fertig. Die Fransen sind weg, die Enden sind umgenäht und bei meinem Spaziergang heute Mittag umschmeichelt die Seide meinen Hals und hält den Wind ab ohne dass mich die lästigen herausgezogene Webfäden nerven.

Geschenkpapier

In diesem Jahr bin ich nicht dazu gekommen, in die Stadt zu fahren um meine Geschenke zu kaufen. Statt dessen habe ich mir ein paar schöne Online-Shops ausgesucht, bei denen ich meine Gaben bestellen konnte.

Ich war damit nicht allein. Jeden Tag, wenn ein Paket-Bote klingelte, ging die Diskussion los, für wen das aktuelle Päckchen ist. Aber wir haben es geschafft alles richtig auseinander zu dividieren.

Als es ans Einpacken ging, habe ich mir gedacht, dass ich dieses Jahr meine Kreativität ein bisschen ausleben könnte. Statt Geschenkpapier zu kaufen, habe ich das Füllmaterial meiner Sendungen und einen Kasten Ölpastell-Kreide verwendet. Ich finde, dass sich das Ergebnis zeigen lassen kann.

Gedankenfaden

24.08.2021

Ich reiche dir meinen Gedanken,
ein bunter Faden
der sich durch den Quantenraum bewegt
und mit dem Licht der untergehenden Sonne schwingt:
rosa Schleier auf den Wolken,
das Blau des Himmels das sich ins Schwarze entwickelt,
das gelbe Glimmen der Sonne am Horizont.

Tor der Seelen

17.07.2021

Er lächelt und scherzt,
spricht hier, hilft da,
keiner sieht
das Zerren
in seinem Herz,
den Knoten
in seinem Bauch.
Die Gedanken –
sie sind nicht hier.
Nicht wirklich.
Sie sind bei ihr.
In der Ferne.
In seiner inneren Welt
liegt ein silberner See.
Aus ihm
steigt sie auf
überzogen
von silbernem Glanz.
Und seine Hand
streichelt sie zart.
Ein Tor der Seelen.
Er wünscht
sie würde es spüren.
Sein Liebe erwidern.
Aber sie lächelt
und scherzt,
spricht hier, hilft da.
Und er sieht
das Zerren
in ihrem Herz,
das nicht ihm gilt.

Riss in der Raumzeit

03.07.2021

Durch einen Riss in der Raumzeit spüre ich deinen Körper.
Deine Hand streicht zart über den Bogen meiner Brüste
und ich spüre dich an meinem Bauch.

Leise klingt dein kleines Lachen in meinem Ohr
während ich von der Welle der Erregung überspült werde.

Wenn ich doch nicht wüsste,
dass sich dies alles nur in meinem Kopf abspielt.
Die Imagination ist zu real, deine Lust zu präsent.

Der Schmerz, dass es nicht wirklich ist,
treibt mir Tränen der Trauer in die Augen.

Ruhige See

29.06.2021

Ruhige See. Der Schiffer segelt nah an der Küste. In bekanntem Gewässer. Den Sturm meidend. Das Unbekannte vergessend. Immer im selben Takt fährt er zwischen den Orten hin und her. Endlich wieder Ruhe nach den aufregenden Jahren. Sein Blick streift über die Leute, die sich auf den Bänken drängen. Bekannte Gesichter, verschwommen zu einer gleichförmigen Masse. Zäh und träge kriecht der Tag dahin und trotzig sickert die Erinnerung an die Intensität der erlebten Zeiten in sein Bewusstsein. Wo sind sie hin die intensiven Düfte? Das Jauchzen und Weinen der unerfüllten Hoffnungen und Möglichkeiten?
Nur nicht wieder Heraustreten aus der dumpfen Gleichförmigkeit der Tage. Der Schmerz der Enttäuschung war zu groß. Das Abenteuer hat ihn nicht aufgewogen.

Der Schiffer schließt die Augen – für einen Augenblick. Die Nase in der Brise die aus dem Unbekannten zu ihm herüberweht und lockt. Dann öffnet er sie und die Apathie des Alltags bemächtigt sich wieder seiner. In der ruhigen See nahe der Küste.

Wieder im Lande

05.09.2019

Heute bin ich wieder in meinem eigenen Bett aufgewacht. Obwohl ich noch Ferien habe, ist es dennoch etwas komplett anderes, zu Hause zu sein. Mein Geist wandert nicht zu den Dingen, wie ich heute den Tag verfaulenze sondern zur Waschmaschine, dass ich das Gepäck noch aufräumen muss, einkaufen, Garten …

Und obwohl ich mich noch gar nicht um meine Pflichten kümmern muss, sind sie in meinem Kopf präsent.

Aber es ist auch schön, wieder zu Hause zu sein: das Bett quietscht nicht mehr, in der Dusche kann man sich umdrehen, ohne irgendwo anzuecken und wir dürfen einen neuen Mitbewohner begrüßen: eine mexikanische Königsnatter, mit der sich Karin einen sehnlichen Wunsch erfüllt hat. Herzlich willkommen im Alltag der Seyfarths.

Mexikanische Königsnatter

Wanderung durch die Piemonter Alpen

01.09.2019

Wer verdammt ist auf die Idee gekommen, bei fast 30 Grad im Schatten eine Wanderung zu machen?

Ach – ooh – äääh, das war ja ich. Ich wollte einfach heute nicht zu Hause rumsitzen. Niklas hat uns mit dem Auto nach Monastero Bormida gefahren, übrigens ein süßes Städtchen, und von da aus sind wir gestartet.

Brücke von Monastero Bormida

Jetzt stehen wir hier am Hang, steigen in der brutzelnden Sonne den Berg hoch und überwinden unsere ersten 300 Höhenmeter. Es ist heiß, die Wege sind teilweise zugewachsen und trotzdem ist es schön. Die Piemonter Alpen sind alles andere als überlaufen. Heute scheinen wir die einzigen Wanderer zu sein.

Bei der Wahl der Strecke habe ich überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass es richtig bergauf gehen könnte – ja klar – ein paar Höhenmeter waren schon eingeplant, aber die Landschaft vermittelt mir eher ein Gefühl von Weserbergland. Da ist man schnell auf einem Berg. Dass wir am Ende insgesamt 700m hoch und 300m runter, 10km weit und das in weniger als drei Stunden gelaufen sind, überrascht mich dann doch ein bisschen.

Mauern

Ich wollte schon seit unserem Urlaub an der ligurischen Küste 1984 mal hier in Nordwestitalien wandern gehen. Heute ist es wahr geworden. Wir wandern an vielen Mauern entlang, die das Land in Terassen gliedern, wir naschen von den Weinreben und Feigenbäumen. Alles wird gerade reif, es schmeckt süß und duftet.
Wir stehen in der Wiese, schauen über die Täler in die Ferne und genießen das Grillenkonzert.
Schmetterlinge und Libellen fliegen um uns herum und die Hunde auf den verstreut liegenden Höfen kläffen uns an.

Und Olav flucht immer wieder, wenn er auf den schmalen Pfaden durch ein Spinnennetz läuft.
„Lass mich doch vorausgehen“, biete ich ihm an, aber irgendwie gehe ich langsamer und nach kurzer Zeit ist Olav wieder vorne. Ich bekomme gar nicht mit, wann er an mir vorbeizieht.

Die Berge, die wir erwandert haben

Zum Abschluss gönnen wir uns einen Cappuccino in der Kneipe in San Giorgio und dann springen wir zu Hause in den Swimming Pool. Das kühle Nass ist genau das richtige für müde und von Dornen zerkratzte Füße und Beine.