Zwei Arten von Kontemplation

21.09.2017

Budapest ist mit seinen fast 2 Millionen Einwohnern eine der zehn größten Städte der Europäischen Union. Um so schöner ist es, dass es Zeiten und Orte gibt, an denen dies keine Rolle spielt. Nachdem ich mich schon gut zwei Stunden im Bett rumgewälzt habe, habe ich beschlossen, einfach aufzustehen und Budapest beim Aufwachen zuzuschauen. Mit einem Apfel in der Hand bin ich losgezogen auf den Szent Gellérthegy. Ich brauche einfach nur meiner Straße zu folgen, dann komme ich direkt an den Fuß des Berges, auch wenn die Gegend dort sich noch nicht richtig zum St. Gellért Berg zählt. Es geht im Bogen hinauf auf Straßen, die kaum von Autos befahren werden und dann erreicht man den unteren Bereich des Parks, der sich über die südliche Seite des Berges erstreckt.

Um halb sieben bin ich nur zwei Joggern begegnet und im Park hielt sich noch niemand auf. Die Sonne stand schon eine handbreit über dem Horizont, die Nacht war also eigentlich schon längst vorbei. An einem Samstag Morgen ist es ziemlich ruhig. Auf dem Berg gibt es eine große Eiche, unter der ein Stein ist, der fast wie ein Sitz geformt ist. Da saß ich schon bei meinem ersten Besuch des Berges und ich hatte der Eiche versprochen, wieder zu kommen. Ich habe mich also unter das Laubdach auf den Stein gesetzt und über Budapest zugeschaut, wie die Sonne langsam höher stieg und sich die Farbe der Stadt veränderte. Ich saß da bestimmt fünfzehn Minuten und in dieser Zeit waren der Wind, die Eiche, die anderen Bäume im Park, das Gras, die Sonne und ich in trauter Gemeinsamkeit. Niemand störte unser Zwiegespräch.

Unter der Eiche

Es ist schön, nur gut eine Viertel Stunde vom Haus entfernt so einen Ort zu haben. Ich werde vielleicht den einen oder anderen Morgen statt mit der Straßenbahn zu fahren über den Berg zur Arbeit gehen. Um diese Möglichkeit ein bisschen zu erkunden, bin ich auf der anderen Seite des Berges wieder hinuntergegangen. Den richtigen Weg habe ich noch nicht ganz gefunden, da ich keinen Stadtplan und auch kein Handy dabei hatte. Dafür bin ich hinter einer Kirche herausgekommen, von der ich wusste, dass sie an meiner Straßenbahnstrecke liegt.

Das war die Gelegenheit, mit einem meiner Pläne zu beginnen, die ich für Budapest habe. Eigentlich finde ich es relativ langweilig, Kirchen anzuschauen. Am interessantesten finde ich die Architektur, in einigen Kirchen gibt es schöne Fenster oder manchmal schöne Gemälde oder Figuren. Viele Kirchen sehen aus wie jede andere, aber es gibt ein paar wenige, die mich beeindrucken oder in denen mich ein besonderes Gefühl der Andacht erfüllt.

Für Budapest hatte ich mir vorgenommen, in allen Kirchen, in die ich gehe, Kerzen anzuzünden. Ich habe schon mit Olav darüber gewitzelt, dass ich eine Statistik machen kann, wieviel es kostet, eine Kerze anzuzünden. Außerdem war ich noch mit den Gedanken der Nacht beschäftigt, die mich wachgehalten haben und ein bisschen Kontemplation würde mir auch gut tun.

Also bin ich durch eine Seitentür in die Budai Ciszterci Szent Imre Templom eingetreten. Dort sind mir zwei Priester entgegengekommen, die auf dem Weg zu einer Andacht in einer Seitenkapelle waren. Als ich mich auf dem knarzenden Holz der Bänke niedergekniet hatte, fingen die Glocken an zu läuten und von hinten durch die Kirche klang das Halleluja der Gläubigen. Nicht, dass ich nicht auch an Gott glaube, aber mein Verhältnis zu Ihm ist ein spezielles, zwar geprägt vom katholischen Glauben aber durchmischt mit eigenen Vorstellungen.

Nach einem inneren Gespräch mit Ihm (Isten) habe ich geschaut, wo man in Szent Imre Kerzen anzünden kann. In der hinteren Ecke vor einer Statue von Maria gab es die Möglichkeit. Für meine Statistik: um eine Kerze anzuzünden, bitten sie in Szent Imre um 100 Forint Spende. Das sind etwa 35 Cent. Ich muss sagen, für die Statistik sind noch andere Daten interessant. Zum Beispiel was für Kerzen es sind (Teelichter) und wie mit diesem Licht, dass man ja aus einem bestimmten Grund anzündet, umgeht. Offensichtlich werden in Szent Imre die Kerzen wieder ausgeblasen. Denn viele Teelichter waren gerade mal zu einem Drittel abgebrannt. Ob meine vier Lichter wohl auch wieder ausgeblasen worden sind?

Egal, Maria hat mir zugesehen und meine Bitten sind mit den ersten Flammen in den Äther aufgestiegen. Ob sie erhört werden, ist sowieso eine ganz andere Frage, aber darum mache ich mir eigentlich keine Gedanken.

Autor: Barbara Seyfarth

Informatikerin Embedded Systeme (Automotive, Industrial Solutions) Safety + Security Certified Professional for Software Architecture (Advanced Level) Autorin