17.08.2019
Wenn man an einen neuen Ort kommt, gibt es drei wichtige Dinge: Wer schläft wo? Wo finde ich was im Haus? Wo in der Umgebung kann ich mich mit allem Notwendigen und auch nicht Notwendigen versorgen? Der Tipp des Vermieters weist im dritten Punkt auf das kleine Städtchen Cortemilia.
Nachdem wir die ersten beiden Fragen einigermaßen geklärt haben, beschließen Olav und ich, noch vor Ladenschluss die Fahrt anzutreten, um für einige Sachen wie frisches Brot und Milch zu sorgen und die Einkaufsmöglichkeiten ein bisschen zu erkunden. Gesagt, getan. Über Kleinststraßen, auf denen man nicht unbedingt einem anderen Auto begegnen möchte, geht es ins Tal. Einige Kilometer weiter erreichen wir das besagte Städtchen. Was uns schon auf dem Weg auffällt ist die Menge an Haselnussbäumchen, die hier ganze Plantagen bilden. Cortemilia begrüßt uns mit Bannern über der Straße, die zum großen Haselnussfest der „Sagra della Nocciola“ einladen.
Wir sind im Piemont, im Land der Haselnüsse.
Beim Spaziergang in die Stadt hinein kommen wir an einer Kirche vorbei. Olav hat den Impuls, hinein zu gehen. Kaum betreten wir den Kirchenraum, stürmt eine Frau auf uns zu. In der Hand hält sie ein Papiertäschchen mit Prospekten und Karten. Das Programm zum Nussfest, es gibt kleine Kunstausstellungen überall in der Stadt verteilt und das Beste: heute findet der Kulinarische Spaziergang statt. Nachdem wir die Kunstwerke in der Kirche begutachtet haben, rufen wir die Kinder an, ob sie Lust haben, die Spezialitäten der Region zu probieren.
Eine dreiviertel Stunde später schlendern wir zu fünft durch die überfüllten Gassen. Eine Reispfanne mit Fisch hier, einen Abstecher in den Süßigkeitenladen, in dem es köstliche Nussspezialitäten gibt, etwas regionaler Wein aus dem Plastikbecher und Pfannkuchenstückchen aus Kichererbsenmehl. Bei der Band, die auf einem der Plätze spielt, tanzen wir ein bisschen Rock-n-Roll und dann sagt Olav: „Da ist schon wieder so ein Schild ‚Via fuga’. Ich möchte doch mal wissen, was das ist.“
Ich wundere mich ein bisschen, denn laut Karte ist dort der Festbereich zu Ende. Aber wir unternehmen einen kleinen Abstecher in die angegebene Richtung. Wie erwartet finden wir dort nur leere Gässchen und es gibt auch keine weiteren Hinweisschilder auf diese ominöse Straße, die Via fuga.
Nachdem wir wieder in den Trubel zurückgekehrt sind und drei Straßenkreuzungen weiter wieder auf so ein Hinweisschild stoßen, bin ich nun doch neugierig was Fuga heißt. Ist das vielleicht ein Pilz? Ach nein, das war funghi. Wir schlagen im Wörterbuch nach und bald offenbart sich, was Olav mit so viel Neugier erfüllt, dass wir den Schildern nachgehen mussten.
Via fuga heißt „Fluchtweg“. Logisch, dass die Schilder vom Fest wegweisen. Aber um die Flucht zu ergreifen, ist es noch zu früh. Erst nach einer Abschlussfahrt im Kettenkarussel machen wir uns dann wieder auf den Heimweg. Die letzten zwei Euro Wertgutschein drücken wir einen Italiener in die Hand. Als ihm klar wird, dass wir sie ihm schenken möchten, leuchtet sein Gesicht auf wie bei einem kleinen Kind, dem man Bonbons schenkt.
Mit diesem strahlenden Lächeln als Abschluss hat sich der Abend doch voll und ganz gelohnt.