Dezember 2006
Am Morgen stand ich in Gedanken versunken am Herd und starrte in den Milchtopf. Die Kinder werkelten am Frühstückstisch. Laura hatte ihr Nachthemd statt eines T-Shirts an, Jan pulte mit dem Messer im Nutella-Glas und Tims Nase steckte in „Burg der Abenteuer“. Aber all das geschah in einer anderen Welt – ich war noch nicht wach.
Erschrocken zuckte ich zusammen, als mein Mann Christof plötzlich hinter mir stand. Er flüsterte mir ins Ohr: „Du musst den Herd anmachen, wenn du warme Milch haben möchtest.“ Dann drehte er mich um und schenkte mir einen innigen Guten-Morgen-Kuss.
„Mama und Papa küssen sich, Mama und Papa küssen sich“, sang mein Ältester und grinste. „Captain Knutscher!“, prustete Laura los und verteilte Müslikrümel und Milchtröpfchen über den Brotkorb. Kichernd rutschten die beiden unter den Tisch. „Was ist denn hier los?“ Christof fischte außer den Kindern auch den weißen Stoffhund namens Cato vom Boden auf. Er ließ das Kuscheltier über die Köpfe der Kinder hopsen und stoppte vor Laura. Hund und Kind verharrten – Auge in Auge.
„Menzchen zind zchon komizche Hunde!“, beschwerte sich Cato. „Küzzen geht ganz anderz.“ Die fusselige Schnauze wischte über Lauras Gesicht. Einmal vom Kinn über die Wange bis zu den Haaren. Sie brach in wieherndes Gelächter aus. „Du muzzt mich jetzt auch küzzen“, forderte das Schnuffeltier meine Tochter auf. Laura drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. „Nein – zo geht daz nich – zooo!“ Christof fegte mit der Hundeschnauze noch mal quer durch ihr Gesicht. „Das mache ich nicht“, sagte sie grinsend. „Dozch, Dozch!“ Cato hüpfte wild herum und demonstrierte ein letztes Mal sein Kusskönnen.
„Na gut.“ Laura zog eine Grimasse, dann streckte sie ihre Zunge raus und gab Cato einen richtigen Hundekuss. Der fünfjährige Jan beobachtete interessiert die Szene, während er genüsslich sein Nutella über Hände, Gesicht und Schlafanzug verschmierte. Er sagte keinen Ton.
Endlich marschierten die Großen zur Schule. Jan zog sich zum dritten Mal an und entschied, was heute mitgenommen werden sollte. An der Kindergartentür setzte er zur üblichen Abschiedsprozedur an: „Tschüss, Mama.“ – Küsschen hier. Küsschen da. „Viel Spaß heute!“ „Und Mamaaaa…. Ich habe dich lieb!“ „Ich habe dich auch lieb.“ Ich ging winkend Richtung Gartentörchen. „Bis morgen und übermorgen und überübermorgen“, rief er mir hinterher. „Bis hintergestern“, brüllte ich zurück und hoffte, die Nachbarn würden uns den lautstarken Abschied verzeihen.
„Mammmmaaaa….. !“ „Ja, was denn?“ Ungeduldig schaute ich über den Zaun. „Ich muss dir noch was sagen. Aber hier!“ „Na gut“, seufzte ich und trottete wieder zurück. Jan zog mich mit ernstem Gesichtchen zu sich hinunter. Ich dachte, er wolle mir etwas ins Ohr flüstern, als er mit seiner Zunge einmal von meinem Kinn über die Wange bis zu den Haaren leckte. „Catokuss“, grinste er und verschwand im Kindergarten.